Woher kommt eigentlich das Gefühl der Sehnsucht, wie entsteht sie? Hat es was mit Mangel zu tun, den wir empfinden und den wir füllen möchten oder ist es etwas ganz anderes, was in uns zieht und nicht Ruhe gibt? Wir kennen die Sehnsucht nach ein paar Stunden Zeit alleine, nach einem Partner*in oder einem Platz in der Natur, wo wir uns und vielleicht auch Gott ganz nahe fühlen können und manchmal spüren wir Sehnsucht als ganz große Kraft, als ganz großen Sog, den wir nicht erklären können. Die Sehnsucht zieht in die Zukunft und in die Vergangenheit zugleich. Sie hält uns den Spiegel des Noch-Nicht-Seins, des Noch-Nicht-Habens vor und stellt uns Fragen, nach unserem Jetzt und Warum.
Die meisten von uns haben irgendwann einmal eine Sehnsucht in sich wahrgenommen. Oftmals geschieht das, wenn wir plötzlich mit der Endlichkeit konfrontiert werden, in Umbruchsituationen stehen, Vertrautes loslassen müssen. Sehnsucht ist nicht einfach immer da, sondern braucht die Leere, die Stille, das Nachsinnen. Immer dann, wenn die Zeit ihren Raum in uns aufspannen kann, scheint die Sehnsucht auf der Schwelle zu unserem Inneren zu stehen und anzuklopfen. Lassen wir sie ein, erzählt sie uns etwas über uns selbst und den Traum einer längst vergangenen Zeit, der etwas wirklich Bedeutungsvolles verheißt, das in die Zukunft weist, einen Bogen spannt.
Ich glaube, es ist wichtig, sich mit der eigenen Sehnsucht zu beschäftigen, weil sie die Gegenspielerin zur Angst ist, bedeutungslos zu sein und eben auch so zu sterben. Ein erfülltes, bedeutungsvolles Leben ist kein Selbstläufer. Das wissen die Menschen zu berichten, die schwerstkranke und sterbende Menschen begleiten. In den letzten Stunden, wenn das Leben an einem vorbeizieht, tritt schmerzlich zu Tage, wie wir unser Leben gelebt haben und ob es in unseren Augen Sinn gemacht hat. Und gerade da zeigt sich der wirkliche Gehalt unseres irdenen Strebens. War es rein materiell motiviert oder zu was hat es geführt und welchem Ziel hat es gedient? Viele Stunden der Arbeit, der Plackerei für wen und was war es letztlich relevant? Interessant ist, dass Sterbende oft bereuen, dass sie den Menschen, die sie lieben, nicht genug Zeit und Aufmerksamkeit gewidmet zu haben. Dass Menschen zur Selbstverständlichkeit wurden, ohne zu reflektieren und sich bewusst zu sein, dass die gemeinsame Zeit endlich ist und die Möglichkeiten, einander Liebe zu zeigen, begrenzt sind.
"Lehre uns bedenken, dass wir streben werden, auf dass wir klug werden" heißt es in der Bibel. Ich möchte dir und mir deshalb zwei Fragen stellen, die in die eigene Sehnsucht führen können:
Stell dir vor, du schaust auf ein erfülltes Leben zurück. Was möchtest du darin finden, was hat sich darin verwirklicht?
Und eine zweite Frage: Stell dir vor, du lebst so weiter wie bisher, wie wirst du sterben?
Ich wünsche dir und mir ein erfülltes, wesentliches, bedeutungsvolles Leben!